Автор: Пользователь скрыл имя, 27 Января 2011 в 21:57, реферат
Am 20.11.1945 begann im Nürnberger Justizpalast in der Fürther-Straße 110 im Saal 600 der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher. 21 ehemals führende Vertreter des "1000-jährigen Reiches" saßen auf der Anklagebank.
Die Prozeßeröffnung
Der Prozeß wurde am 20.11.1945 mit dem Verlesen der Anklageschrift durch Lordrichter Geoffrey Lawrence, dem Vorsitzenden des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg eröffnet. Nach dem die Anklageschrift im vollen Wortlaut vorgetragen worden war, wurden die Angeklagten aufgefordert, sich für "schuldig oder nicht schuldig" zu erklären. Alle Angeklagten mit Ausnahme des abwesenden Bormann erklärten sich für "nicht schuldig". Darauf folgte Robert Jacksons Eröffnungsrede für die Anklagebehörde. Diese Rede wurde weithin gerühmt, häufig abgedruckt und wird oft zitiert. Hier ein kurzer Auszug:
" ...Die Untaten, die wir zu verurteilen und zu bestrafen suchen, waren so ausgeklügelt, so böse und von so verwüstender Wirkung, daß die menschliche Zivilisation es nicht dulden kann, sie unbeachtet zu lassen, sie würde sonst eine Wiederholung solchen Unheils nicht überleben. Daß vier große Nationen, erfüllt von ihrem Siege und schmerzlich gepeinigt von dem geschehenen Unrecht, nicht Rache üben, sondern ihre gefangenen Feinde freiwillig dem Richterspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, das die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat." Wenig später stellte sich Jackson offen der Frage der "Siegerjustiz":" Bevor ich auf die Einzelheiten des Tatbestandes eingehe, müssen noch einige allgemeine Überlegungen freimütig erwogen werden, die das Ansehen des Prozesses in der Meinung der Welt beinflussen könnten. Ankläger und Angeklagte sind in einer sichtlich ungleichen Lage zueinander. Das könnte unsere Arbeit herabsetzen, wenn wir nicht bereit wären, selbst in unbedeutenden Dingen gerecht und gemäßigt zu sein. Leider bedingt die Art der hier verhandelten Verbrechen, daß in Anklage und Urteil siegreiche Nationen über geschlagene Feinde zu Gericht sitzen. Die von diesen Männern verübten Angriffe, die eine ganze Welt umfaßten, haben nur wenige wirklich Neutrale hinterlassen. ... Wir dürfen niemals vergessen, daß nach dem gleichen Maß, mit dem wir die Angeklagten heute messen, auch wir morgen von der Geschichte gemessen werden. Diesen Angeklagten einen vergifteten Becher reichen, bedeutet, ihn an unsere eigenen Lippen zu bringen. Wir müssen an unsere Aufgabe mit so viel innerer Überlegenheit und geistiger Unbestechlichkeit herantreten, daß dieser Prozeß einmal der Nachwelt als die Erfüllung menschlichen Sehnens nach Gerechtigkeit erscheinen möge." (11) Und an anderer Stelle: "Die Gefahr, die wir im Angesicht des sittlichen Urteils der Welt zu gewärtigen haben, besteht darin, daß die Welt diese Verhandlungen als politischen Prozeß betrachtet, den der Sieger dazu benutzt, sich an den Besiegten zu rächen. "...wir müssen allen Deutschen klar machen, daß das Übel, für das ihre geschlagenen Führer vor Gericht stehen, nicht die Tatsache ist, daß sie den Krieg verloren haben, sondern daß sie ihn begonnen haben."
Einen Großteil seiner Rede widmete Jackson anschließend einem Überblick über das Beweismaterial, auf das sich der Vorwurf der Verschwörung zur Einleitung und Durchführung eines Angriffskrieges stützte.
Aus den Beweisvorträgen der Anklagebehörde:
In den nächsten Sitzungstagen wurde dazu eine Fülle von Beweisdokumenten zitiert. Eines der Schlüsseldokumente in diesem Zusammenhang ist das "Hoßbach-Protokoll" vom 5. November 1937. Was geschah an diesem Tag? An diesem Tag, noch fast ein Jahr vor dem Anschluß Österreichs, fast zwei Jahre vor Kriegsbeginn, enthüllte Hitler die ganze Reichweite seiner Pläne. Während das deutsche Volk und die Welt noch immer mit Friedensbeteuerungen beschwichtigt wurden, fand in Berlin eine geheime Sitzung statt. Die Teilnehmer, die sich um Hitler versammelten, waren Reichskriegsminister Werner von Blomberg, Generaloberst Werner von Fritsch als Oberbefehlshaber des Heeres, Generaladmiral Erich Raeder als Oberbefehlshaber der Kriegsmarine, Generaloberst Hermann Göring als Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Reichsaußenminister Constantin von Neurath und der persönliche Adjutant Hitlers, Oberst Friedrich Hoßbach. Hoßbach fertigte über den Inhalt dieser Sitzung ein Protokoll an. Es überdauerte den Krieg, wurde von den alliierten Truppen gefunden und lag nun auf dem Tisch der Anklagevertretung in Nürnberg. "Das Schriftstück", sagte der amerikanische Ankläger Aldermann, "zerstört jeden nur möglichen Zweifel an den wohlüberlegten Plänen der Nazis bezüglich ihrer Verbrechen gegen den Frieden. Dieses Schriftstück ist von so ungeheurer Bedeutung, daß ich mich verpflichtet fühle, es in seinem vollen Wortlaut vorzulesen." Das Hoßbach-Protokoll ist eines der wichtigsten Beweisdokumente im ganzen Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozeß. Es zeigt fünf Dinge mit aller Deutlichkeit: 1. Hitlers Aufrüstung war nicht, wie er immer wieder betonte, eine Frage von nationaler Würde und Gleichberechtigung, sondern die erste Stufe seiner Angriffsabsichten. 2. Seit jener Besprechung vom 5. November 1937 wußten Wehrmachtsführung und Auswärtiges Amt, wußten die Angeklagten Göring, Keitel, Raeder und von Neurath,daß Hitler den "unabänderlichen Entschluß" gefaßt hatte, spätestens 1943/45 Gewalt anzuwenden und Krieg zu führen. 3. Hitler ist entschlossen, auch seine Gesinnungsfreunde Mussolini und Franco zu verkaufen. Es geht ihm nicht um seine Blutsverwandten, Österreicher und Sudetendeutsche, sondern um Rohstoffe und Menschenmaterial für neue Divisionen. 4. Alle Beteuerungen Hitlers gegenüber dem deutschen Volk und gegenüber der Welt sind bewußte Täuschungen: "Wir haben keine territorialen Forderungen in Europa", "Wir wollen nur den Frieden", "Wir wissen, daß Spannungen in Europa nicht durch Krieg gelöst werden können." 5. Hitler, der von seinem Propagandaminister Goebbels als "der größte Feldherr aller Zeiten" gepriesen worden ist, hat die militärische Lage vollkommen falsch eingeschätzt. Mit den Vereinigten Staaten von Amerika hat er überhaupt nicht gerechnet. (12) (Das Protokoll ist im vollen Wortlaut im Anhang abgedruckt)
Dann folgten im Gerichtssaal Filme über die Konzentrationslager Buchenwald, Bergen-Belsen und Dachau. Sie wurden in dem Zustand gezeigt, in dem amerikanische und britische Truppen sie vorgefunden hatten. Selbst für jene, die wie Telford Taylor schon eine frühere Besichtigung mitgemacht hatten, waren diese Bilder kaum zu ertragen. Der furchtbare Zustand der Lebenden und die Berge nackter Leichen, die von Bulldozern in ein gewaltiges Massengrab geschoben wurden, boten einen erschütternden Anblick.
Nach der amerikanischen Anklagevertretung, für die ungefähr 50 Personen vor Gericht auftraten, erhielt die britische Anklagevertretung das Wort. Ihr Vorsitzender, Kronanwalt Sir Hartley Shawcross schilderte unter Anklagepunkt 2 "Verbrechen gegen den Frieden" die Besetzung von Polen, Dänemark, Norwegen, Belgien, Holland, Luxemburg, Griechenland, Jugoslawien und der Sowjetunion. Die britische Präsentation des Beweismaterials beanspruchte knapp 4 Tage und belastete Ribbentrop, Keitel, Rosenberg, Raeder und Jodl schwer. Zu den Beweisdokumenten gehörte eine Zusammenstellung und Auslegung der von den Nazis verletzten zwischenstaatlichen Nichtangriffspakte. Ferner befaßte sich Shawcross mit der Planung und Ausführung der tatsächlichen Angriffe gegen einzelne Länder: Neben dem schon zitierten Hoßbach-Protokoll berief er sich auf die sogenannten "Schmundt-Notizen", die bereits von den Amerikanern in den Prozeß eingeführt worden waren und die ein weiteres Schlüsseldokument im Nürnberger Verfahren waren. Es handelte sich um das Protokoll einer Konferenz, die am 23.5.1939 im Arbeitszimmer des "Führers" in der neuen Reichskanzlei stattfand. Hitlers Adjudant Schmundt (Nachfolger von Hoßbach) hat die Aufzeichnungen angefertigt. Von den Angeklagten waren anwesend: Göring, Raeder und Keitel. Letzterer hat die Echtheit des Dokuments bestätigt. Entscheidend ist das Datum: der 23. Mai 1939. Zwei Monate nach Hitlers Einmarsch in Prag, zwei Monate nach Beendigung des spanischen Geheimkrieges der Legion Condor, und nicht viel mehr als drei Monate vor Beginn des 2. Weltkrieges fiel die Entscheidung über das Leben von Millionen Menschen. "Es heißt, die Umstände den Forderungen anzupassen", erklärte Hitler den Teilnehmern der Berliner Geheimkonferenz. "Ohne Einbruch in fremde Staaten oder Angreifen fremden Eigentums ist dies nicht möglich. Die zurückliegende Zeit ist wohl ausgenützt worden. Alle Schritte waren folgerichtig auf das Ziel ausgerichtet. Nationalpolitische Einigung der Deutschen ist erfolgt. Weitere Erfolge können ohne Bluteinsatz nicht mehr errungen werden". Dann entwickelt Hitler seine Pläne: "Danzig ist nicht das Objekt, um das es geht. Es handelt sich für uns um die Arrondierung des Lebensraumes im Osten und Sicherstellung der Ernährung. In Europa ist keine andere Möglichkeit zu sehen. Zwingt uns das Schicksal zur Auseinandersetzung mit dem Westen, ist es gut, einen größeren Ostraum zu besitzen. Es entfällt also die Frage, Polen zu schonen, und bleibt der Entschluß, bei erster passender Gelegenheit Polen anzugreifen...". (13)Gleichsam als Resümee zu Anklagepunkt 1 und 2 wurde am 11.12. ein Dokumentarfilm über den Nationalsozialismus in den Jahren von 1921 bis 1944 im Gerichtssaal vorgeführt.
Nach der Weihnachtspause eröffnete der französische Hauptankläger Francis de Menthon am 17.1.1946 die französische Klage. Er warf den Angeklagten hauptsächlich und in erster Linie Kriegsverbrechen vor und wandte sich nun den Beweisen für die Begehung derartiger Verbrechen in den besetzten westeuropäischen Ländern zu. (Es gab eine Arbeitsteilung: Rudenko, der sowjet. Hauptankläger konzentrierte sich auf die osteuropäischen Länder). De Menthon teilte die den Angeklagten zu Last gelegten Kriegsverbrechen in 3 Hauptkategorien ein: "die Zwangsarbeit, die wirtschaftliche Ausplünderung und die Verbrechen gegen die menschlichen Lebensgrundlagen". (14) Sauckel, der "in Verbindung" mit Göring und Speer handelte, trug laut Anklage die schwerste Last der Schuld für das Zwangsarbeitsprogramm. (Sauckels Programm ist im Anhang abgedruckt). Unter "wirtschaftlicher Plünderung" verstand de Menthon "sowohl die Wegnahme von Gütern aller Art wie die Ausbeutung der nationalen Reichtümer an Ort und Stelle zugunsten des deutschen Krieges". Im Zusammenhang mit den "Verbrechen gegen physische Personen" behandelte de Menthon die "Exekutionen von Geiseln, die Verbrechen der Polizei, die Deportationen, die Verbrechen gegen Kriegsgefangene sowie die Terroraktionen gegen die Widerstandsbewegung und die Massaker an der Zivilbevölkerung". (15) In seinem Resümee hielt de Menthon fest: " .. der Krieg war von langer Hand vorbereitet und geplant, und bis zum letzten Tag wäre es ein leichtes gewesen, ihn zu vermeiden, ohne auch nur im geringsten etwas von den berechtigten Interessen des deutschen Volkes zu opfern. Und die Greueltaten sind im Laufe des Krieges nicht unter dem Einfluß einer wilden Leidenschaft oder eines kriegerischen Zornes oder aus einem Gefühl der Rache begangen worden, sondern aus kalter Berechnung, in bewußter Anwendung von Methoden und einer schon früh vorhandenen Lehre." (16) Nach de Menthons Eröffnungsrede begann der stellvertretende französische Hauptankläger Edgar Faure mit der Präsentation des Beweismaterials. Beweismaterial bezüglich der "Arbeitspflicht" und der "Ausplünderung der Wirtschaft" wurde für die Länder Dänemark, Norwegen, Holland, Belgien, Luxemburg und Frankreich vorgelegt. Allein die Zahlen waren niederschmetternd. Über 150.000 Belgier, 430.000 Holländer und 2,6 Millionen Franzosen waren gezwungen worden, "für die Kriegsanstrengungen des nationalsozialistischen Deutschlands zu arbeiten". (17) .Über 875.000 französische Arbeiter waren nach Deutschland deportiert und fast eine Million Kriegsgefangene zur Unterstützung militärischer Zwecke herangezogen worden. In der Beweisführung über die "Ausplünderung der Wirtschaft" stellten die Franzosen dar, wie Fabriken, Maschinen und andere Produktionsgüter beschlagnahmt und nach Deutschland geschafft wurden. Noch schädlicher aber wirkte sich die Beschlagnahme von Lebensmitteln sowie von Holz und anderen Brennstoffen aus. Im Laufe des Krieges gingen die französischen Lebensmittelrationen auf 1.800 bis 1.300 oder weniger Kalorien pro Tag zurück, ein Niveau, das sogar nach Ansicht der deutschen Regierung "eine Aushungerung bedeutet, die langsam zum Tode führt". Im nächsten Schritt präsentierte die französische Anklagevertretung Beweismaterialien über die deutschen Konzentrationslager und über die Tötung von Geiseln. Allein in Frankreich wurden fast 30.000 Geiseln umgebracht. In den Niederlanden waren es insgesamt 3.000 und auch in den anderen westeuropäischen Ländern verhielt es sich ähnlich. Viele Tausende wurden eingesperrt oder in Konzentrationslager deportiert. 40.000 Franzosen starben in französischen Gefängnissen unter deutscher Kontrolle. Dubost legte Beweise für viele Einzelfälle vor, bei denen es vor der Tötung zu unaussprechlichen Folterungen gekommen war. (18)
Eine der Zeuginnen, die die französische Anklagevertretung aufrief, war Madame Vaillant- Couturier. Sie war eine mehrfach ausgezeichnete Abgeordnete der Konstituierenden Versammlung von Frankreich. Als Mitglied der Resistance war sie von den Deutschen Anfang 1942 in Paris verhaftet worden und hatte fast ein Jahr in deutschem Gewahrsam verbracht. Im März 1943 war sie dann mit einem Konvoi von 230 Französinnen nach Auschwitz gebracht und hier sowie im Lager Ravensbrück bis Kriegsende festgehalten worden. In Auschwitz waren die Französinnen unter derart entsetzlichen Bedingungen zur Arbeit gezwungen worden, daß nur 49 dieses eine Jahr überlebten. Madame Vaillant-Couturier beschrieb nun vor dem Internationalen Militärgerichtshof das Selektionsverfahren für diejenigen, die in die Gaskammern von Auschwitz geschickt wurden. Auch beschrieb sie die mit den Häftlingen veranstalteten medizinischen Experimente. Bei beiden Tätigkeiten tauchte der Name von Dr. Josef Mengele zum erstenmal im Prozeßprotokoll auf. (19)
Nach dieser Zeugenvernehmung folgten Beweisdokumente für Kriegsverbrechen gegen Kriegsgefangene und Zivilisten. Darunter befindet sich ein amtlicher Bericht des französischen Generals Bridoux über das Massaker von Oradour-sur-Glane. Charles Dubost verlaß ihn im Gerichtssaal: "Am Samstag, den 10. Juni (1944) , brach eine Abteilung SS, die wahrscheinlich der in der Gegend anwesenden Division "Das Reich" angehörte, in den vorher gänzlich umstellten Ort ein und befahl der Bevölkerung, sich auf dem Marktplatz zu versammeln. Die Männer wurden aufgefordert, sich in vier oder fünf Gruppen aufzustellen, von denen alsdann jede in eine Scheune eingesperrt wurde. Die Frauen und Kinder wurden in die Kirche geführt und dort eingeschlossen. Bald darauf krachten MG-Salven, und das ganze Dorf sowie die umliegenden Bauernhöfe wurden in Brand gesteckt. Die Häuser wurden eines nach dem anderen angezündet. Während dieser Zeit lebten die Frauen und Kinder, welche den Lärm der Feuersbrunst und der MG-Salven hörten, in höchster Angst. Um 17.00 Uhr drangen deutsche Soldaten in die Kirche ein und stellten auf der Kommunionbank ein Erstickungsgerät auf, das aus einer Art Kiste bestand, aus der brennende Zündschnüre hervorragten. In kurzer Zeit wurde die Luft nicht mehr atembar; jemandem gelang es jedoch, die Sakristeitür aufzureißen, wodurch es möglich wurde, die von der Erstickung betroffenen Frauen und Kinder wieder zu beleben. Die deutschen Soldaten begannen dann durch die Kirchenfenster zu schießen, sie drangen in die Kirche ein, um die letzten Überlebenden durch Maschinenpistolenschüsse zu erledigen, und schütteten einen leicht entzündbaren Stoff auf den Boden. Eine einzige Frau konnte sich retten. Sie war an einem Kirchenfenster emporgeklettert, um zu fliehen, als die Rufe einer Mutter, die dieser Frau ihr Kind anvertrauen wollte, die Aufmerksamkeit eines Postens auf sie lenkte. Er gab Feuer und verletzte sie schwer. Sie konnte ihr Leben nur dadurch retten, daß sie sich totstellte. Gegen 18.00 Uhr hielten die deutschen Soldaten die in der Nähe vorbeifahrende Lokalbahn an und ließen die nach Oradour fahrenden Reisenden aussteigen. Sie streckten sie durch Maschinenpistolen nieder und warfen die Leichen in die Feuersbrunst." Als nach dem Massaker wieder Menschen den eingeäscherten Ort betraten, bot sich ihnen ein grauenvolles Bild: " In der teilweise eingestürzten Kirche befanden sich noch verkohlte, von Kinderleichen stammende menschliche Überreste. Gebeine waren mit der Asche des Holzgetäfels vermengt. Ein Zeuge konnte am Eingang der Kirche den Leichnam einer Mutter sehen, die ihr Kind in den Armen hielt, sowie vor dem Altar die Leiche eines knienden Kindeleins und bei dem Beichtstuhl die zweier Kinder, die sich noch umschlungen hielten." Dieser Bericht stammte keineswegs von der französischen Regierung des ersten Nachkriegsjahres. Er wurde vielmehr von Bridoux im Auftrag der Vichy-Regierung abgefaßt und dem deutschen Oberbefehlshaber West übergeben. (20) Oradour war nur eine Begebenheit unter vielen hundert. Tagelang wurden im Nürnberger Gerichtssaal die Namen von Städten und Dörfern aufgezählt, die das gleiche und oft ein noch schlimmers Schicksal hatten. Stunde um Stunde der Verhandlung war angefüllt mit den Zeugnissen vom Leid von tausend, zehntausend, hunderttausend namenlosen Menschen. Die Franzosen beendeten ihren Klagevortrag mit Beweisen hinsichtlich der "Germanisierung.der besetzten Gebiete" (Elsaß und Lothringen) und bezüglich der "Verfolgung aus politischen, rassischen und religiösen Gründen".
Nach den Franzosen hielt als letzter der vier Anklagevertreter am 8.2.1946 Roman Rudenko, Hauptankläger für die Sowjetunion, seine Eröffnungsrede. Der Gerichtssaal war zum erstenmal seit Wochen wieder voll besetzt. Die Pressevertreter waren vollzählig anwesend. Rudenko schilderte noch einmal die Eroberung der Tschechoslowakei, Polens, Jugoslawiens und der Sowjetunion. Für große Aufregung sorgte der sowjetische Hauptankläger als er Generalfeldmarschall Friedrich Paulus in den Zeugenstand rief. Paulus hatte im September 1940 den Auftrag erhalten, den Operationsplan für den Angriff auf die Sowjetunion durch eine deutsche Armee von etwa 130 bis 140 Divisionen auszuarbeiten, mit dem Ziel, die in Westrußland befindlichen Teile der sowjetischen Streitkräfte zu vernichten und eine Linie zu erreichen, die von Archangelsk entlang der Wolga bis zum Kaspischen Meer verlief. Paulus arbeitete einen derartigen Plan aus und übernahm in der Folge noch zahlreiche weitere ähnliche Aufgaben. Über diese Tätigkeiten sollte er in Nürnberg aussagen. Sensationell war sein Erscheinen im Zeugenstand aber vor allem aus folgendem Grund: Ende 1941 hatte Paulus den Oberbefehl über die Sechste Armee erhalten, die zu dieser Zeit gerade in Südrußland kämpfte. Es kam zur berühmten Schlacht von Stalingrad, in deren Verlauf die Sechste Armee eingekesselt wurde. Hitler befahl Paulus, bis zum letzten Mann auszuhalten, und beförderte ihn zum Generalfeldmarschall. Aber zur tiefsten Empörung von Hitler ergab sich Paulus schließlich mit den Überresten seiner Truppe den sowjetischen Streitkräften. In der Gefangenschaft bildete Paulus' Untergebener General Walther von Seydlitz-Kurzbach eine Gruppe, die sich "Nationalkomitee Freies Deutschland" nannte, und die aus emigrierten deutschen Kommunisten sowie aus einer großen Zahl deutscher Kriegsgefangener in der Sowjetunion bestand. Paulus selbst schwor öffentlich dem Hitler-Regime ab. Die angeklagten Militärs sahen der Aussage von Paulus neugierig, angespannt und feindselig entgegen. Paulus selbst gab nichts sensationell neues von sich. Aus Aldermanns Dokumenten und Erklärungen war bereits unstrittig hervorgegangen, daß der deutsche Überfall auf die Sowjetunion vorsätzlich erfolgt war, und keinesfalls als Verteidigungsreaktion auf sowjetische Initiativen. Paulus Zeugenaussage lieferte nun das "Fleisch zu den dokumentarischen Knochen" (21). Nachfolgend ein kurzer Auszug aus Rudenkos Verhör von Paulus:Rudenko: "Unter welchen Umständen wurde der bewaffnete Überfall auf die UdSSR durchgeführt?" Paulus: " Der Angriff auf die Sowjetunion erfolgte, wie ich ausgeführt habe, nach einem von langer Hand vorbereiteten und sorgsam getarnten Plan. Ein großes Täuschungsunternehmen, das von Norwegen und von der französischen Küste organisiert wurde, sollte die Absicht einer Landung in England im Juni 1941 vortäuschen und die Aufmerksamkeit vom Osten ablenken." Rudenko: "Wie würden Sie die Ziele bezeichnen, die Deutschland mit dem Überfall auf die Sowjetunion verfolgte?" Paulus: "Die Zielsetzung Wolga-Archangelsk, die weit über die deutsche Kraft ging, charakterisiert an sich schon die Maßlosigkeit der Eroberungspolitik Hitlers und der nationalsozialistischen Staatsführung. Strategisch hätte das Erreichen dieser Ziele die Zerschlagung der Streitkräfte der Sowjetunion bedeutet. Wie sehr es Hitler auf die Gewinnung wirtschaftlicher Ziele in diesem Krieg ankam, dafür kann ich ein Beispiel anführen, das ich persönlich erlebt habe. Am 1. Juni 1942, gelegentlich einer Oberbefehlshaber-Besprechung im Bereich der Heeresgruppe Süd in Poltawa, erklärte Hitler: "Wenn ich das Öl von Maikop und Grozny nicht bekomme, dann muß ich diesen Krieg liquidieren." Zusammenfassend möchte ich sagen: Die gesamte Zielsetzung bedeutete die Eroberung zwecks Kolonisierung der russischen Gebiete, unter deren Ausnutzung und Ausbeutung und mit deren Hilfsmitteln der Krieg im Westen zu Ende geführt werden sollte, mit dem Ziele der endgültigen Aufrichtung der Herrschaft über Europa." ... Rudenko:" Wer von den Angeklagten war aktiver Teilnehmer an der Entwicklung des Angriffskrieges gegen die Sowjetunion?" Paulus: "Von den Angeklagten, soweit sie in meinem Blickfeld lagen, die ersten militärischen Berater Hitlers. Das ist der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Keitel, der Chef des Wehrmachtsführungsstabes, Jodl, und Göring in seiner Eigenschaft als Reichsmarschall, als Oberbefehlshaber der Luftwaffe und als Bevollmächtigter auf dem rüstungswirtschaftlichen Gebiet." (22)
Die anschließend von der sowjetischen Anklagevertretung vorgelegten Dokumente über Verbrechen an sowjetischen Kriegsgefangenen berichteten von entsetzlichen Vorfällen. General Kurt von Oesterreich, der Kommandant der Kriegsgefangenen des Danziger Wehrkreises, bestätigte in seiner eidesstattlichen Versicherung, er habe den Befehl bekommen, daß "Kriegsgefangenenlager ... einfach unter freiem Himmel durch Absperrung mit Stacheldrahtzäunen errichtet werden müßten", und daß es keine Barackenlager für die russischen Gefangenen gegeben habe. In diesen ungeschützten Internierungslagern verhungerten und erfroren Millionen sowjetischer Gefangener. In Generalfeldmarschall von Reichenaus Befehl über das "Verhalten der Truppe im Ostraum" hieß es: "Das Verpflegen von ... Kriegsgefangenen ist eine ... mißverstandene Menschlichkeit." Tausende von Gefangenen wurden in Sachsenhausen, Majdanek und anderen Konzentrationslagern umgebracht. Gefangene deutsche Soldaten sagten aus, daß die Generäle Walter Model und Walther Nehring, beides Kommandeure von Panzerdivisionen, den Befehl erteilt hätten, daß keine Gefangenen gemacht werden sollten - vermutlich um das Vordringen ihrer Truppen zu beschleunigen. Besonders abscheulich waren die von den Deutschen errichteten Großlazarette für Gefangene, in denen infolge von vorsätzlicher Überfüllung, Schmutz, Infektionskrankheiten und Hunger täglich Hunderte von "Patienten" starben. (23)
Zum Beweismaterial, das der sowjetische Hauptankläger Roman Rudenko dem Gericht vorlegte, gehörten auch die Erinnerungen des ehemaligen nationalsozialistischen Senatspräsidenten von Danzig, Hermann Rauschning. Dieser berichtete, was Adolf Hitler einmal zu ihm sagte, und Rudenko las die ungeheuerliche Stelle im Gerichtssaal vor: ""Wir müssen eine Technik der Entvölkerung schaffen. Wenn Sie mich fragen, was ich unter Entvölkerung verstehe, so werde ich ihnen sagen, daß ich die Vernichtung ganzer rassischer Einheiten im Auge habe, und dies werde ich tun, ich sehe darin, grob ausgedrückt, meine Aufgabe. Die Natur ist grausam, daher dürfen auch wir grausam sein. Wenn ich die Blüte des deutschen Volkes ohne jedes Bedauern über das Vergießen kostbaren deutschen Blutes in die Hölle des Krieges schicken kann, so habe ich natürlich das Recht, Millionen von Menschen niederer Rasse zu vernichten, die sich wie Ungeziefer vermehren." (24)
Im weiteren Verlauf legte Oberjustizrat Smirnow Beweismaterial für deutsche Greueltaten gegen die Zivilbevölkerung der besetzten Gebiete der UdSSR, Jugoslawiens, Polens und der Tschechoslowakei vor. Dieses Beweismaterial basierte auf eidesstattlichen Aussagen von Augenzeugen deutscher Greueltaten, die der "Außerordentlichen Staatlichen Kommission der Sowjetunion" vorgelegt worden waren. Wenn man an den Charakter und an die große Zahl der Dokumente dachte, die zuvor von den amerikanischen und französischen Anwälten vorgelegt worden waren, dann konnte es scheinbar gar nichts Schlimmeres mehr geben; aber tatsächlich verblaßten diese früheren Präsentationen im Vergleich zu dem, was Smirnow aufbot. Es stellte sich heraus, warum dies so war: Den Naziführern war es durch Befehle, Einschüchterungen und die Vorführung von Beispielen gelungen, ihre Gefolgsleute davon zu überzeugen, daß Slawen tatsächlich "Untermenschen" seien und daß sie - abgesehen von denen, die einer nützlichen Sklavenarbeit zugeführt werden könnten - auf derartig bestialische Weise umgebracht werden sollten, daß im ganzen Land nur noch Angst und Schrecken regierten. Dazu war eine entsprechende Indoktrinierung und Ausbildung erforderlich, wie Smirnow erläuterte: "Es ist selbstverständlich, daß es nicht genügte, chemische Rezepte für "Zyklon A" (ein Giftgas) auszuarbeiten, Gaskammern und Krematoriumsöfen zu konstruieren oder Spezialverfahren der Massenerschießung in allen Einzelheiten festzulegen, um Millionen unschuldiger und hilfloser Menschen zu vernichten, sondern man mußte zu diesem Zwecke viele Tausende von Befehlsvollstreckern ausbilden, die diese Politik nicht "ihrer Form, sondern ihrem Geiste nach", wie sich Himmler einst ausdrückte, ausführten. Man mußte Menschen ohne Herz und Gewissen, mit perversen Neigungen, solche die mit den Grundsätzen der Moral und des Rechts bewußt gebrochen hatten, erziehen." (25) Als Beleg dafür legte Smirnow ein Dokument vor, das den Titel trug "12 Gebote für das Verhalten der Deutschen im Osten und die Behandlung der Russen", unterzeichnet von Herbert Backe, dem ehemaligen Ernährungsminister, der seine Leser ermahnte: " Ihr müßt Euch bewußt sein, daß Ihr Repräsentanten Großdeutschlands und Bannerträger der nationalsozialistischen Revolution und des neuen Europa für Jahrhunderte seid. Ihr müßt daher auch die härtesten und rücksichtslosesten Maßnahmen, die aus Staatsnotwendigkeiten gefordert werden, mit Würde durchführen. Charaktermängel des Einzelnen werden grundsätzlich zu seiner Abberufung führen." (26) Anschließend veranschaulichte Smirnow die Ergebnisse derartiger Anweisungen durch eine lange Abfolge von Augenzeugenbeschreibungen, die teils von Gefangenen, teils von deutschen Soldaten oder Zivilisten stammten. Beispielsweise sagte ein Gefangener aus, der Leichen verbrennen mußte: " Um das Janovskylager herum war ein Stacheldraht angebracht ... Dahin brachte man Menschen, die dort vor Kälte und Hunger umkamen, da sie sich von dort nicht retten konnten ... Ein Mensch wurde am Hals, an den Händen oder Füßen aufgehängt, dann wurden die Hunde auf ihn gehetzt und rissen ihn in Stücke. Der Mensch wurde als Zielwand bei Schießübungen verwendet. Mit diesen Dingen beschäftigten sich am meisten die Gestapoleute Heine, Müller, Blum, der Chef des Lagers, Willhaus, und andere, an deren Namen ich mich nicht erinnere. ... Die Menschen wurden an den Beinen angefaßt und auseinandergerissen; Kinder im Alter von einem Monat bis zu drei Jahren wurden in Fässern, die mit Wasser gefüllt waren ertränkt. ... Die Frauen wurden an den Haaren aufgehängt, dabei wurden sie ausgezogen, hin und her geschaukelt, und so hingen sie, bis sie starben."