Gerhard Richter: 48 Portraits, 1972

Автор: Пользователь скрыл имя, 24 Марта 2012 в 10:59, реферат

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Welche Parallelen lassen sich zwischen dem Werk 48 Portraits und der gesellschaftlichen Entwicklung herausfinden. Ziel der Arbeit ist, den Wiedererkennungsgrad der Konsumenten zu definieren. Die Autorin sieht eine direkte Transformation der Fotoserie 48 Portraits auf Warenpräsentation der Massenmode. Die beide haben eine Vielfalt durch Angleichung und Stilisierung auf Uniformität minimiert.

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Gerhard Richter:  48 Portraits, 1972

„Ich wusste doch gar nicht, warum ich die malte. Mein Anliegen war,

Aufmerksamkeit zu bekommen. [lacht] Ich wollte gesehen werden.“

Gerhard Richter

Welche Parallelen lassen sich zwischen dem Werk 48 Portraits und der gesellschaftlichen Entwicklung herausfinden. Ziel der Arbeit ist, den Wiedererkennungsgrad der Konsumenten zu definieren. Die Autorin sieht eine direkte Transformation der Fotoserie 48 Portraits auf Warenpräsentation der Massenmode. Die beide haben eine Vielfalt durch Angleichung und Stilisierung auf Uniformität minimiert. Das sorgt für Ordnung und Standardisierung, gleichzeitig aber für eine Einordnung, weg von Lokalisierung und eine Einschränkung der Konsumenten.

Gerhard Richter fotografiert die Portraits der berühmten Männer aus verschiedenen Lexika und älteren Enzyklopädien von den letzten 150 Jahren und bildet von Vorlagen und photographischen Studien der sogenannte Atlas aus 270 Köpfen. Richter wählt bevorzugt solche Personen, deren Wirken sich mit der Zeit vor oder während der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert verbindet, auch wenn diese ausgewählten Personen 1972 noch lebten. Gerhard Richter beließ es nicht bei der gemalten Fassung der 48 Portraits, sondern schuf unmittelbar nach Fertigstellung der Gemälde eine zweite, photographische Serie. So wurden Gemälde mehrfach reproduziert, die einen Ausgangpunkt in der Photographie hatten wieder zum Medium der Photographie und sind die Möglichkeit grenzloser Vervielfältigung ausgesetzt. Damit wurde die Aura des Einzigartigen durch die photographische Reproduktion relativiert. Für Richter sind die gemalten Photographien und die photographischen Gemälde gleichwertig. [1] Es geht vielmehr darum, die Transformation der herausragenden Individuen in technisch reproduzierbare Objekte nachzuvollziehen, und die Anonymität und Gleichmachung hervorrufen.[2] Er standardisiert die 48 Motive die nach neutralen schwarzweißen Fotovorlagen, indem er die Bildausschnitte einander anglich. Gerhard Richter uniformierte  die Kleidung auf helles Hemd und dunkle Jacke und durch die Übertragung in eine weiche Malerei aus Grautönen das jedem einzelnen Bild eine gewisse „Unscharfe“ verlieh, welche den Gesichtern die starken Kontraste nimmt und die Gruppe der Bilder auf einander abstimmt. So verlieren die einzelnen Portraitierten im Laufe dieses malerischen Verfahrens auch ein Stück weit ihre Individualität. Erwartungsgemäß zeigen sich die Gegenpole - herausragende Individualität und anonyme Masse.[3] Im Atlas gehen die Modelle von Repräsentanten aus Kultur und Wissenschaft, Bildung und Forschung. In Richters endgültiger Zusammenstellung mischen sich die Namen berühmter Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Peter Tschaikowsky, Franz Kafka mit solchen bedeutenden Vertretern ihres Faches, deren Namen außerhalb ihres Arbeitsgebietes nur wenigen bekannt sein dürften. Der Maler wählte oft eher unbekannte Künstler, jedenfalls unprägnannte Aufnahme aus, so dass sie in einer Masse von grauen Männern[4] sich einfügten. Alle Dargestellten sind aus europäisch-amerikanischen Kulturkreis, alle sind von weißer Hautfarbe, glatt rasiert, allenfalls mit kurz gestutzten Bärten – und alle sind männlich. Die Aufnahme von Frauen hätte die formale Einheit dieser Herrenrege in dunklen Anzügen zerstört.[5]

Es sind nur ein Bruchteil von Leute, die Richter zu malen erwog oder tatsächlich gemalt hat. Vom Ergebnis her betrachtet, liegt Richters wesentliche Entscheidung darin, alle politischen Denker und Führer auszuklammern. Die Präsentation des Zyklus soll auf keinen Fall eine ideologische Deutung zulassen. Darüber hinaus wird es schwieriger, Richters Beweggründe zu erahnen, warum er seine Wahl so und nicht anders getroffen hat. Richter gibt weniger Hinweise, was er mit 48 Portraits vorhatte, allerdings hat er mehrfach von dem Bedürfnis gesprochen, die Vaterfigur zu identifizieren.[6] Richter bezeichnet die Serie auch als Sinnbild für einen Bruch in den Traditionen, der nicht reparierbar sei. So gesehen seien 48 Portraits nicht die Wiederherstellung eines Geschichtsverständnisses, sondern ein Hinweis auf den Verlust.[7] In der Serie 48 Portraits lässt sich ein Prozess der Vereinheitlichung, Entindividualisierung und Formalisierung des Bildmaterials wieder lesen. Die Darstellungen bleiben an der Oberfläche, weil sie von der wissenschaftlichen oder kulturellen Leistung jeder einzelnen Persönlichkeit nichts zu erkennen geben. Christoph Heinrich nennt den Gerhard Richter als Primat des Formalen, der die Anforderung der Serie beherrscht, die niemals inhaltliche Gesichtspunkte berücksichtigt. Jedes Mal bildet ein „en face“ aufgenommenen Portraits die Mittelachse, von der ausgehend die Blicke der Dargestellten schrittweise nach rechts und links gehen. Die serielle Reihung wie das Raster, das keine Hierarchie kennt und jeden Platz als gleichwertig vergibt, unterstützen die Nivellierung.[8]

Gerhard Richter bestimmt in 48 Portraits seine Vorgehensweise von Individuum zur Verallgemeinerung, an diese Stelle ergeben sich Fragen, wie seine Aussage sich interpretieren lässt und ob seine Aussage noch heute zutreffend ist. Aus diesem Grund wird nach einer Projektion zwischen Individuum und der Gesellschaft gesucht. Dank der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung sammelt das Individuum erst alleine seiner Erfahrungen, die sich dem „Ornament der Masse“[9] und nach der bestimmten Musterungen untergeordnet werden. So können die 48 Portraits als Kommentar zur Position des Menschen im heutigen prosperierten Kapitalismus[10] gesehen werden, indem das Individuum die gleichen Impulse empfängt wie Richter – Angst, seelischer Druck und Verlust. Diese Gefühle versucht das Individuum mithilfe des demonstrativen oder kompensatorischen Konsumverhaltens wiederum auszukurieren. Solche all-around Panazee scheint gerecht zu sein, solange sie den Wunsch des Individuums kennt, dem Konsumenten Vielfalt und Abgrenzung von anderen verspricht und so ihm seine Einzigartigkeit versichert. Wieso taucht dann die Zwangsfrage von Unzufriedenheit des kritischen Konsumenten und von seinem seelischen Zustand? Massenkonsumphänomen darf nicht als all-around Allheilmittel der menschlichen Seele betrachtet werden, da es oberflächlich und inhaltslos ist. Es ist reine Wiederholung, ein Fließband, was zur Blockierung des Individuellen, zur Aufgabe des freien Willens und Fremdsteuerung führt.[11] Daraus entsteht die neutrale menschliche Masse, die ein starkes Bedürfnis hat, gesehen zu werden. Es ist sogar nicht entscheidend zu wissen, wer das ist.[12] Die Autorin bringt noch einen deutlichen Vergleich, um die Vorgehensweise von Individuum zur Stilisierung der Gesellschaft und damit  entstandene Verallgemeinerung zu betonnen. Die Gesellschaft entscheidet sich für die sozialen Netzwerke und ist an dem dynamischen Speicher der sensiblen Daten wie Adressen, Verfügbarkeit und Subjektivierung beteiligt. Es ähnelt sich der standardisierten Enzyklopädie, die für Gerhard Richter  als Inspirationsquelle diente. So verliert die Gesellschaft ihre Identität, Privatsphäre und Authentizität,  und richtet sich nach Neujustierung: „Was also zählt, ist nicht mehr, was man ist, sondern was man tut.“[13].

Literaturverzeichnis:

Storr, Robert (2002): Gerhard Richter. Malerei; The Museum of Modern Art, New York, und Hatje Cantz Verlag, Ostfildern-Ruit

Elger, Dietmar (2002): Gerhard Richter, Maler; DuMont Literatur und Kunst Verlag, Köln

Becker, Ilka (2010): Fotografische Atmosphären; Wilhelm Fink Verlag, München

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



[1] Vgl. Ehrenfried, S. (wie Anm.2), S. 50.

[2] Obrist, H.U. (1993), S. 106, zit. Nach Pennt W.(1984). „Trotzdem zu malen, obwohl es scheint nichts bringt“.

[3] Vgl. Heinrich, C. (2001), S. 174

[4] Gerhard Richter, zit. Nach Ehrenfried (wie Anm.2), S. 52. Der Künstler äußerte sich mehrfach zu der Arbeit und gab ausschließlich formale Kriterien für seine Auswahl an: „Es ist unwichtig zu wissen, wer da ist.“

[5] Van Bruggen (wie Anm.28), S.91. Vgl. Susanne  Ehrenfried, „Gespräch mit dem Maler G. Richter am 8. August 1995“, in: dies., “Ohne Eigenschaften“. Außerdem hat er sicher mit der Identität und der Suche nach einem Vaterbild zu tun.“ Ich bin ja nicht auf der Suche nach einem Mutterbild.“

[6] Ebd., S. 75. Hier konzentriert sich Buchlohs Interpretation auf die Nazi-Vergangenheit und die durch die „Zerstörung des Vaterbildes“ und die „Verheerung des Bildes vom männlichen Führer“ bewirkte psychologische Übertragungen. Sich in seiner Ablehnung jeder Wiedereinsetzung der alten Hierarchien auf Freud berufend, schreib Buchloh über das Dilemma der Deutschen, die in den 30-40 Jahren erwachsen wurden. Zum Teil bestätigen Richters Bemerkungen zu 48 Portraits die Deutung von Buchloh. Er gesteht ein, dass manche auf die rätselhaften Bilder feindselig reagiert haben, und sagt: „Und das ist ja auch ein typisch deutsches Nachkriegsproblem, dass die Väter fehlten in vielerlei Hinsicht, also ganz wenig waren, oder beschädigt waren, auf jeden Fall ihren Status, ihren Wert verloren hatten. Das erzeugt eine Unruhe und eine Unsicherheit“.

[7] Storr, R. (22002), S. 287. „Es ist eine Schilderung der Tatsache, dass wir irgendetwas verloren haben. Und es stellt die Frage, ob wir irgendetwas tun müssten. Es geht nicht darum, irgendetwas zu etablieren. […]Aber die leeren Stellenwerden ja immer mit irgendetwas aufgefüllt“.

[8] Vgl. Heinrich, C. (2001), S. 174

[9] Heinrich, C. (2001), S. 11. Der Begriff deutet auf die Wiederholung der gleichen Merkmale, die im einen Fall die Vielfalt innerhalb eng gestreckter Grenzen zeigt, in anderem Fall die Uniformität innerhalb scheinbarer Vielfalt zeigt.

[10] Heinrich, C. (2001), S. 11

[11] Heinrich, C. (2001), S. 12

[12] Vgl. Heinrich, C. (2001), S. 174

[13] Becker, I. (2010), S. 104


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